Eitel Wonne oder Kraus-Jüngel unter sich

Von Walter Schübler

 

Schwadronieren kürzlich (Falter 11/14, „Bücher-Frühling“ 2014, S. 4–6) zwei hiesige „Edelfedern“ über Karl Kraus. Sagt die eine, Franz Schuh: „Die Fackel ist ein Teil unseres Kulturguts, damals war sie eine schmerzhafte Spitze gegen die Kultur. Wobei ,schmerzhaft‘ auch Gefahr bedeu­tet. Canetti hat es beschrieben, wie diese Vorlesungen Hetzmeuten produziert haben. Heute ist es dieser widerwärtige Journalismus, der täglich irgendeine andere – um es widerwärtig journalistisch zu sagen – Sau durchs Dorf treibt. Das ist in den Angrif­fen der Fackel auch passiert, allerdings auf einem unerreichbaren ästhetischen (und auf einem nachvollziehbaren moralischen) Niveau.“ Wirft die andere, Armin „Bitte, ich weiß auch was“ Thurnher, ein: „Hetzmeuten waren eine Zeiter­scheinung. Zum Beispiel hat auch Anton Kuh in seinem polemischen Vortrag gegen Kraus eine Hetzmeute mobilisiert.“ Was Schuh bereitwillig aufnimmt: „Die berühmte Rede von Anton Kuh gehört zum Jämmerlichsten, was die österreichische Intelligenz je hervorgebracht hat. Sie war die Reaktion eines Menschen, der für die Drecksblätter arbeitete, und der das, um sich selbst zu retten, mir allen Mitteln verteidigt hat.“

Schreib’ ich per Leserbrief an den Falter eine Berichtigung: „Ganz entgegen dem Anton-Kuh-Motto ,Nur nicht gleich sachlich werden! Es geht ja auch persönlich‘ sei hiermit trocken klargestellt: Anton Kuh hat am 25.10.1925 in seiner Stegreifrede ,Der Affe Zarathustras (Karl Kraus)‘ im Konzerthaus keine ,Hetzmeute mobilisiert‘ (Thurnher). Wahr ist vielmehr, dass die zahlreichen Kraus-Anhänger im Saal Kuh immer wieder minutenlang niederbrüllten.

Kuh hat nicht für ,die [Békessy-]Drecksblätter‘ (Schuh) gearbeitet, sondern ausschließlich für ,Die Stunde‘. Kuh hat das keineswegs, ,um sich selbst zu retten, mit allen Mitteln verteidigt‘ (Schuh), sondern leistete 1926 dafür Abbitte, dass er das Ausmaß des Sacrifizio dell’ intelletto (dessen er sich von Anfang an bewusst gewesen war) dabei unterschätzt hatte.

Die Rede gehört keineswegs ,zum Jämmerlichsten, was die österreichische Intelligenz je hervorgebracht hat‘ (Schuh); Ulrich Weinzierl bezeichnet sie vielmehr treffend als ,von Witz, Spott und Hassliebe inspiriertes rhetorisches Meisterstück‘. Sie nur im Kontext der Kampagne der ,Stunde‘ gegen Kraus zu sehen ist verfehlt. Kuh hat lang davor und lang danach lustvoll dem ,Unterhaltungssport‘ der ,Kraus-Frotzelung‘ (Kuh) gefrönt; erstmals publizistisch übrigens 1919, als Kraus ein paar junge Literaten durchs Dorf trieb, und das in einer Manier, die als rufmörderisch zu bezeichnen ein grober Euphemismus wäre.

,Hetzmeute‘, ,Drecksblätter‘, ,jämmerlichst‘: so klingt das, wenn zwei angejahrte Kraus-Jüngel – ahnungslos zwar, aber umso vollmundiger – einander Phrasen dreschend das Hölzel werfen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass, wer von Novomatic Geld nimmt, gut daran täte, nicht dauernd mit Karl Kraus hausieren zu gehen.“

Zugegeben: Keine Fingerübung in „feiner Klinge“, die Berichtigung bleibt indessen an Grobheit weit unter der „Stussität“ des Berichtigten. (Könnte im Übrigen die Abscheu vor Polemik, die die Tanten beiderlei Geschlechts hierzulande beseelt, etwas mit der endemischen Hinundrücksichtelei, vulgo Schneebrunzerei, zu tun haben?) Sie erscheint nicht in Falter 12/2014, auch nicht in Falter13/2014. In letzterer Nummer nehmen dafür fünf Sechstel der den Leserbriefen gewidmeten Fläche Lobhudeleien auf Thurnher-Texte ein. In einer dieser Zuschriften wird Thurnher gedankt für den „wunderbaren Satz mit der zutreffenden Diagnose, [Michael] Fleischhacker könnte ,Aufmerksamkeit nicht als demütiger Dienstleister, sondern als stolze, bewunderte Ich-AG‘ kassieren wollen“.

Thurnher weiß (zumindest hier), wovon er spricht. Lebt er, der gern über die „egomanischen Ich-AGs der Blogosphäre“ (Falter, 17.12.2008, S. 3) herzieht, doch seinen Narzissmus ungeniert Woche für Woche bei der Auswahl der Leserbriefe für die Seite 4 „analog“ aus. Und straft seine hochherzigen Plädoyers für „Öffentlichkeit“ auf der Seite 5 kleingeistig Lügen, wenn’s ans Eingemachte geht: an seine Eitelkeit.